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Frank P. - Meine Laufberichte






21.04.2014 Boston-Marathon

Bereits vor über fünf Jahren hatte ich meine ganz großen Träume, was Marathonläufe betrifft, mit New York, London, Stockholm, Hamburg und dem Two Oceans Marathon (Ultra), erfüllt. Von den kleinen Träumen blieb aber noch der größte offen: Der traditionsreiche Boston-Marathon.
Im Grunde ist der Boston-Marathon der einzige verbliebene Marathon gewesen, den ich noch nicht gelaufen bin, aber unbedingt noch laufen wollte. Dafür gab es vor allen Dingen drei Gründe:

1. Tradition. Der Boston-Marathon ist der älteste aller bekannten Marathons. Die erste Auflage gab es schon Ende des 19. Jahrhunderts. Dieses Jahr fand die 118. Ausgabe statt.
2. Strecke. Der Boston-Marathon ist kein reiner Stadtmarathon mit einer Rundstrecke, sondern ein Punkt-zu-Punkt-Lauf. Start ist auf dem Lande im kleinen Ort Hopkinton. Man läuft von dort aus grob gesagt immer nach Osten Richtung Boston in die Großstadt.
3. Stimmung. Obwohl ein Großteil des Marathons auf dem Lande gelaufen wird, ist der Boston-Marathon für seine großartige Stimmung bekannt. Da ich diesbezüglich vom New York-Marathon 2006 sehr begeistert war, erhoffte ich mir vor ebenfalls amerikanischem Publikum ähnliche Anfeuerung.

Als ich etwa Anfang September letzten Jahres im Internet über die Konditionen eines möglichen Startes beim Boston-Marathon 2014 recherchierte, stellte ich fest, dass ich aufgrund meiner Berliner Marathon-PB aus 2012 von 3:09 Std., die ich als Referenzzeit angeben konnte, sehr gute Chancen hatte, mich damit in meiner Altersklasse für einen Startplatz zu qualifizieren. In den Konditionen hieß es, dass nicht alle Bewerber, die die vorgegebene Qualizeit erfüllten, einen Startplatz garantiert bekämen, sondern dass bis zu einem gewissen Kontingent die Startplätze nach der Reihenfolge der Deutlichkeit der unterbotenen Qualifikationszeit vergeben werden würden. Da bei mir AFAR eine 3:20 sogar noch gereicht hätte, war mir mein Startplatz ziemlich sicher. Anders sah es bei meinem Laufreisezwilling J.R. aus, der zwar eine 3:07 aufweisen konnte, die aber aufgrund seines jüngeren Alters auch brauchte. Letzten Endes haben wir aber beide unseren Startplatz bekommen. Vermutlich wollte sich der Veranstalter nur vorbehalten, nicht alle Interessenten, die die Qualizeit aufweisen konnten, zu akzeptieren, da für 2014 mit einem übergroßen Starterfeld gerechnet wurde. Da nach dem Bombenattentat 2013 im Zielbereich des Boston-Marathons der Marathon abgebrochen wurde, kamen viele Läufer nicht in die Wertung. Diese erhielten vom Veranstalter für 2014 einen Freistart und haben damit die Starterzahl zusätzlich erhöht. So hatte der Boston-Marathon dieses Jahr mit 36.000 Startern die zweithöchste Teilnehmerzahl in seiner Geschichte.

Unsere Reise haben wir, nachdem unsere Startnummern bestätigt wurden, dann selbst geplant. Nach dem Boston-Marathon wollten wir über New York und Philadelphia nach Washington weiter reisen. Flug, Unterkünfte (in Youth Hostels) und Mietwagen buchten wir online. Alles war geregelt.
Leider hat dann bei J.R. die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nachdem seine Bauchmuskelverletzung, die ihn das erste Quartal praktisch komplett zum Trainingsverzicht zwang, nicht mehr so schlimm war und einen Start nicht mehr in Frage stellte, wurde er acht Tage vor dem Boston-Marathon von einer starken Madelentzündung heimgesucht. Da diese mit Antibiotika behandelt wurde, erhielt er vom Doktor Startverbot. Dass das bitter für ihn war, kann jeder Marathon-Läufer nachvollziehen.

Am Karfreitag flogen wir nach Boston. Noch am Abend (in Boston am Nachmittag) gingen wir zur Marathonmesse im Convention Center und holten unsere Unterlagen ab. Die Marathonmesse war von der Größe her IMHO vergleichbar mit der Berliner Messe. Für die Stadt selber hatte man den Eindruck, dass dem Marathon eine viel größere Bedeutung zukommt als in Berlin. Vielleicht war dieser Eindruck aber auch daher so stark, weil wir uns im Innenstadtbereich aufhielten. Als wir das Convention Center verließen waren wir direkt schon auf der Zielgeraden in der Boylsten St. und haben uns diesen Bereich natürlich auch gleich angeschaut.

Boston-Marathon 2014
auf der Marathonmesse


Den Samstag und Sonntag verbrachten wir hauptsächlich mit Sightseeing. Am Samstag knickte ich auf dem Freedom Trail, dem Touristen-Pfad der amerikanischen Freiheit, der alle historischen Stätten, die mit dem Unabhängigkeitskampf der Kolonien in Verbindung stehen, als Spaziergang präsentiert, an einem Loch im Bürgersteig böse um. Am Abend hatte ich dann einen geschwollenen Knöchel und das Auftreten tat bei unebenem Untergrund weh. Ich konnte nicht einschätzen, ob und inwieweit mich dieser Umstand beim Marathon beeinträchtigen würde und ob ich damit vielleicht gar nicht den Marathon durchhalten würde. 24 Stunden später, also am Abend vor dem Marathon, war die Schwellung zum Glück etwas abgeklungen und die Schmerzen verspürte ich seltener. Ich war optimistisch, dass der Fuß meine Performance nicht nennenswert beeinträchtigen würde. Dafür hatte ich mir allerdings einen Schnupfen zugezogen, da es an den Tagen vor dem Marathon in Boston recht kalt und windig war. Da ich zusätzlich aber weder Halsschmerzen noch Husten noch Fieber hatte, machte ich mir deswegen auch nicht so große Sorgen.

Erwähnenswert war noch das Boston-Marathon Pre-Race Dinner, das am Sonntag Abend an der City Hall statt fand. Das Schlange stehen hat sich gelohnt, denn es gab reichlich zu essen und auch Nachschlag wurde nicht verweigert.

Am Montag, dem Marathon-Tag, sind wir bereits um 5 Uhr aufgestanden. Das war aber überhaupt kein Problem, weil ich mich noch nicht so ganz an die Zeitumstellung gewöhnt hatte und morgens sowieso früh wach wurde. Nach einem guten Frühstück ging es um 6 Uhr die knappe viertel Stunde zu Fuß von unserem Youth Hostel zum Park Boston Common, von wo aus die gelben Schul-Busse nach Hopkinton starteten. J.R. begleitete mich noch zu den Bussen. Es fiel ihm sichtlich schwer, nicht auch einzusteigen. Aber er blieb standhaft.

Da ich aufgrund meiner Qualizeit mit roter Startnummer für die erste von vier Start-Wellen (Waves) eingeteilt war, die mit ca. halbstündigem Abstand starteten, fuhr ich mit einem der ersten Busse mit und musste deswegen auch kaum für den Bus anstehen. Gegen 6:40 Uhr fuhr dann eine ganze Reihe von Bussen, welche voll waren, im Konvoi los. Die Fahrzeit nach Hopkinton dauerte 50 Minuten und ging zum Teil über die Autobahn. In Hopkinton am Athletendorf (Athletes' Village), einem großen Schulgelände mit vielen Parkplätzen und sehr großen Rasenflächen, traf ich gegen 7:30 Uhr ein. Der große Ansturm an Läufern stand noch bevor, so dass ich noch in Ruhe ohne Wartezeit auf ein Dixie gehen konnte. Ähnlich wie in New York konnte man sich Bagels, Tee oder Kaffee oder noch andere Dinge nehmen, wofür ich ebenfalls (noch) nicht Schlage stehen musste. Dennoch war noch eine gute Stunde Zeit zu verbringen, bis die Teilnehmer der ersten Welle laut Plan zum Startbereich geführt werden sollten.
Erfreulicherweise war das Wetter sehr gut. Es war so früh am Morgen zwar noch recht frisch, aber die Sonne schien und auf dem Rasen in der Sonne war es auszuhalten. Man konnte sich Wärmefolien geben lassen, die noch direkt von der Rolle abgeschnitten wurden. Meine Folie nutzte ich als Unterlage auf dem noch feuchten Rasen, damit ich mich hinsetzten und auch die Beine noch ausstrecken konnte.

Nach dem Bombenattentat vom letzten Jahr waren in diesem Jahr keine Kleiderbeutel im Startbereich mehr zugelassen. Das bedeutete, dass man bereits in Laufkleidung ankommen musste und, um nicht zu frieren, eigene zusätzliche Kleidung darüber anziehen musste, die man dann vor dem Start da lassen musste und später angeblich Wohltätigkeitsvereinen zugeführt wurde. Einen Tag vorher machte mir dieser Umstand noch Sorgen. Ich hatte nur eine alte Jeans und einen alten Pullover aus Deutschland zum Ausrangieren mitgenommen. Angesichts der Kälte an den Tagen vor dem Marathon malte ich mir schon aus, wie ich beim Warten vor dem Start bibbern und die Nase laufen würde. Aber wir hatten ja Glück mit dem Wetter. Die Sonne tat sogar richtig gut. So verging die Wartezeit angenehm.

Gegen 9:15 Uhr hatten sich die Starter der ersten Welle mit den roten Startnummern am Village-Exit einzufinden und zu sammeln, unterteilt nach Corrals, die auf der Startnummer vermerkt waren. Ich war im Corral 8 von 9, also im vorletzten. Nach einigen Minuten Wartezeit durften wir das Village verlassen und wurden zur Startlinie, die noch 0,7 Meilen entfernt war, langsam hingeführt. Es verlief alles sehr entspannt. Selbst hier applaudierten uns schon die Anwohner aus den Vorgärten der Kleinstadt Hopkinton, was in mir die Vorfreude noch weiter steigen ließ.

Die Startlinie war auf der Main St. Dennoch war diese Straße nicht besonders breit und sie war auch sehr hügelig. Da ich mich ja innerhalb meiner Welle im vorletzten Corral befand, standen die meisten Läufer vor mir. Alle Läufer vor mir konnte ich aber gar nicht sehen, denn es ging erst einmal einen Hügel rauf und dann wieder runter, so dass die Spitze des Feldes nicht zu sehen war.
Bevor es los ging konnte ich noch ganz in Ruhe meinen Pullover und die Wärmefolie abgeben, die man nicht einfach so zur Seite warf, sondern die man freundlichen Helfern gab, die die Kleidung sofort in Plastiksäcken verstauten. Meine Jeans hatte ich bereist im Athletes' Village abgegeben.
Es wurde noch die Nationalhymne eingespielt (The Star-Spangled Banner), wobei die Amerikaner, egal ob Teilnehmer oder Helfer, mit der rechten Hand auf der Brust am Herzen stramm standen. Kurze Zeit später erfolgte pünktlich um 10 Uhr der Startschuss.

Das Läuferfeld kam nur langsam in Bewegung. Bis zur Startline waren noch viele hundert Meter zu gehen bzw. zu laufen. Fast sechs Minuten dauerte es, bis ich die Startlinie überquerte und somit die Nettozeit zu zählen begann.

Ich hatte mich am Abend vor dem Marathon nach langem Überlegen dazu entschlossen, meine Digi-Kamera mitzunehmen, um vor allen Dingen vor und nach dem Marathon Bilder zu machen. Während des Laufes wollte ich keine Bilder machen, da die ohnehin verwackeln, wenn ich nicht stehen bleibe, was ich nicht vorhatte.

Als Zielzeit hatte ich mir eine Endzeit unter 3:30 Std. vorgenommen. Das habe ich in diesem Jahrtausend bei allen meinen Marathons geschafft, sofern ich es wollte. Klar war aber schon vorher, dass ich diesmal positive Splits laufen würde. Das lag daran, dass der Start von der höchsten Stelle des gesamten Marathons ausging und es danach die ersten 5 km gleich gehörig abwärts ging. Die größten Steigungen kamen erst zwischen km 28 und 35 mit dem berüchtigten Heartbreak-Hill am Ende. Um am Ende unter 3:30 zu bleiben, musste ich einen 8er Schnitt auf die Meile laufen (8 Min./Meile). Das entspricht etwa einem 5er Schnitt auf den Kilometer.

Beeindruckt war ich von den vielen Zuschauern und deren Begeisterung. Ich hätte nicht erwartet, dass in den kleinen Orten auf dem Lande im erweiterten Einzugsgebiet von Boston sich so viele Zuschauer einfinden würden.
Bereits schon in Hopkinton direkt nach dem Startschuss standen die Zuschauer in 10er-Reihen und applaudierten laut und heftig.

Die Landschaft war ganz nett. Immer wieder liefen wir durch grüne Passagen mit meist dichtem Baumwuchs neben der Straße, wobei die Bäume nach dem langen harten Winter in Neuengland noch keine grünen Blätter hatten. Aufgrund des blauen Himmels und des Sonnenscheines sah es aber trotzdem schön aus. Hin und wieder gab es auch mal einen kleinen See neben der Straße und ein bisschen Ausblick.

Noch schöner für mich war es jedoch, durch die Ortschaften zu laufen, weil dort wieder die vielen Zuschauer zahlreich standen. Wem der laute Jubel zu viel war, der konnte immer wieder etwas Ruhe tanken, wenn es aus den Ortschaften heraus ging. Aber auch an den grünen Passagen standen manchmal zahlreiche Zuschauer und selbst, wenn es nur ein paar Häuser am Straßenrand gab, ging die Zuschauerzahl gleich wieder hoch. Aufgrund der Abwechslung der Strecke wurde einem nie langweilig. Zum Abwechslungsreichtum trug aber auch die hügelige Landschaft bei.

Wie oben bereits geschrieben, ging es am Anfang fast nur bergab. Daher waren meine ersten Splits recht schnell mit meist nur wenigen Sekunden über 7:30 Minuten pro Meile und es war auch (noch) gar nicht anstrengend. Die ersten erwähnenswerten Steigungen gab es erst nach neun oder zehn Meilen, die ich aber auch mit 8er Schnitt hoch laufen konnte. Wir durchliefen die Gemeinden Ashland, Framington und Natick. Irgendwo dort sprach mich ein amerikanischer Mitäufer an, der hinten auf meinem ForumTeam-Singlet "Berlin-Marathon" gelesen hatte. Ob ich den Berlin-Marathon denn schon mal mitgelaufen wäre? Er war beeindruckt, als ich ihm sagte, dass ich alle 25 letzten Berlin-Marathons mitgemacht habe. Er selbst sei so glücklich, dass es ihm gelungen sei, in der Lotterie einen Berlin-Marathon-Startplatz für dieses Jahr ergattert zu haben.

Der Bodenbelag der Straßen, auf der wir liefen, war sehr gut. Das war mir sehr wichtig, weil ich mit meinem umgeknickten Fuß gut auftreten konnte und erfreulicherweise keine Schmerzen hatte. Immer wenn es eine Unebenheit gab, passte ich aber penibel auf, dass ich bloß nicht noch einmal umknickte.
Auch der Schnupfen bereitete mir bei dem Sonnenschein keine Probleme.

Etwa bei Meile 12 (vor km20) hörte ich aus der Ferne vor mir, noch ohne etwas sehen zu können, lautes begeistertes Kreischen aus vielen tausend Stimmen. Aufgrund von Berichten, die ich gelesen hatte, und Youtube-Clips, wusste ich, was nun kommen würde und freute mich sehr darauf: Der Wellesley College Scream Tunnel. In der Gemeinde Wellesley, die wir nun erreichten, gibt es direkt an der Strecke ein großes Mädchen-College. Für die teilweise sehr hübschen Schülerinnen ist es Ehrensache, an der Strecke zu stehen und anzufeuern. Dabei will scheinbar jedes Girl besonders laut sein und besonders auf sich aufmerksam machen. Viele halten Schilder hoch, wo z.B. drauf steht: "Stop for a Kiss!" Da ich ja ein ehrgeiziges Zeitziel hatte, habe ich jedoch nicht angehalten. Im Nachhinein in dem Wissen, dass ich das Zeitziel ja doch nicht geschafft habe, bereue ich das ja etwas. Immerhin bin ich sehr langsam durch diesen Scream Tunnel gelaufen, um das Schauspiel zu genießen und möglichst viele Hände abzuklatschen.

Hier ist der Clip eines Mitläufers, um einen Eindruck zu bekommen.

Etwa über einen Kilometer ging dieser "Scream Tunnel". Als er zu Ende war, sagte ein anderer Läufer zu mir: "Now back to Reality!" Die Realität war, dass ich vergessen hatte, die Meile 13 zu stoppen. Bei Meile 14 hatte ich dann auf beide Meilen zusammen gerechnet erstmals keinen Schnitt unter 8, was aber nicht anders zu erwarten war, da ich im Scream Tunnel ja langsamer gelaufen bin. Noch immer war ich aber gut in der Zeit.

Bei km25 sah ich Uta Pippig, die dreimalige Boston-Siegerin in den 90er Jahren, die ich in Berlin schon oft gesehen habe, neben mir unter den Läufern. Ich hätte sie ja direkt angesprochen, wenn sie nicht gerade in dem Augenblick telefoniert hätte und stehen geblieben wäre.

Jede Meile gab es sowohl Gatorade als auch Wasser. Da es die Getränke so häufig gab und sich die Ausgabestellen immer sehr lang hin zogen, ging es an diesen Getränkestellen viel entspannter zu als etwa in Berlin. Es waren genug Helfer da, um jedem Läufer einen Becher zu reichen. Ich musste also niemals selbst einen Becher aufnehmen. Die Becher waren aus Pappe, woraus man viel besser trinken konnte als aus den Plastik-Bechern, welche es in Berlin gibt.

Nach mehr als der absolvierten Halbmarathondistanz fehlte mir als Abwechslung doch der aus Berlin gewohnte Tee. Noch mehr fehlten mir allerdings die Bananen, denn so langsam bekam ich etwas Hunger, obwohl ich ja gut gefrühstückt hatte, aber das war ja lang her. In Berlin greife ich so ab km25 in der Regel immer nach Bananen. Die kann ich gut verdauen und die liefern mir die nötige Energie, die ich für die Endphase brauche. Feste Nahrung gibt es in Boston gar nicht. Daher setzte ich meine Hoffnungen auf das PowerBar, welches bei km27 angeboten wurde (zwischen Meile 16 und 17). In Berlin wird ja an dieser km-Stelle seit einigen Jahren auch so etwas verteilt, und das bekommt mir immer sehr gut. Aber das Gel, das in Boston gereicht wurde, war viel flüssiger. Ich bekam es nur widerwillig runter, weil ich meinte, die Energie nötig zu haben. Und bekommen ist es mir auch nicht. Ich hatte das Gefühl, dass sich das Gel wie Kleister mit meinem Mageninhalt vermischte und sich zu einem relativ festen Ball im Magen formte.

Mit diesem unangenehmen Druckgefühl im Magen-Darm-Bereich ging es dann nach Newton, wo die größten Steigungen des gesamten Marathons auf mich warteten. Inzwischen war mir die unablässig scheinende Sonne nicht mehr angenehm sondern unangenehm. Als erstes kamen vier eher sanfte Hügel mit einem ständigen Wechsel von Bergauf- und Bergabläufen, die ich noch ganz achtbar mit knapp über 8er Schnitt meistern konnte. Danach kamen die letzten drei Hügel, die sogenannten Newton Hills mit dem Heartbreak-Hill als höchsten und letzten Hügel, der sich auf einer Länge von ungefähr 600 Metern zwischen Kilometer 32 und 33 erstreckt. Diese Hügel und vor allen Dingen der Heartbreak-Hill zogen und zogen sich und sie zogen auch Energie aus meinem Körper.
Hatte ich mir vorher noch ausgerechnet, dass ich es mir durchaus erlauben konnte, die Hügel hinauf etwas langsamer als 8er Schnitt zu laufen, wenn ich nach den Steigungen wieder bis zum Ziel knapp unter 8er Schnitt bleiben würde, um am Ende unter 3:30 Std. zu bleiben, so war mir spätestens am Heartbreak-Hill klar, dass ich nicht mehr in der Lage sein würde, die letzten Meilen bis zum Ziel im 8er Schnitt zu laufen.

Eigentlich hätte ich nach dem Heartbreak-Hill gerne eine Pause gemacht, vor allen Dingen eine Toiletten-Pause. Aber ich entschloss mich dann doch, bis zum Ziel durchzuhalten. Da ich die 3:30 Std. ohnehin nicht schaffen würde, war es im Grunde zwar egal, wie langsam ich die letzten Meilen laufen würde, aber ich wollte auch nicht mehr länger als nötig auf der Strecke bleiben, weil das Laufen mit dem Druckgefühl im Magen nicht wirklich Spaß machte und ich ganz einfach auch müde war.

So richtig wie am Anfang konnte ich die letzten Meilen natürlich nicht mehr genießen. Aber ich nahm schon noch alles gut wahr. Es wurde immer urbaner. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich erst einmal in der Ortschaft Brookline war, hätte ich gedacht ich wäre bereits in Boston, denn es war wirklich schon großstädtisch. Genau am Ortsschild Boston lief ich an einer auf dem Asphalt platt gefahrenen Ratte vorbei.

J.R. wollte bei Meile 24 auf der linken Seite stehen, sofern er nicht am Morgen auf die Zieltribüne durfte. Also hielt ich Ausschau, aber ich sah ihn unter den vielen Zuschauern nicht. Zum Glück hat er mich dafür gesehen und fotografiert. Er ist dann sogar noch ein paar Schritte mit mir mitgelaufen und hat durch Rufen auf sich aufmerksam gemacht. So ist dann noch ein Bild entstanden, wo ich winke.

Nun war ich fast am Ziel und ich erkannte die Straßen vom darauf Spazieren gehen an den Vortagen wieder. Selbst mitten auf der Straße zu laufen und auf den Bürgersteigen die Zuschauermassen zu sehen ist natürlich eine viel schönere Perspektive. Da meine Endzeit nun egal war und ich mich beim Zieleinlauf nicht mehr beeilen musste, entschloss ich mich dazu, den Zieleinlauf mit meiner Digi-Kamera zu filmen. Dabei war es mir egal, dass ich dabei noch ein paar Positionen verloren habe.

Meine offizielle Endzeit war schließlich 3:32:30 Std., worüber ich überhaupt nicht bekümmert war. Ich habe einen wunderschönen Marathon erlebt. Einen meiner schönsten überhaupt. Darüber bin ich dankbar und glücklich.


Hier sind Pics.





MeileSplitsGesamt
17:340:07:34
27:350:15:09
37:400:22:49
47:400:30:29
57:530:38:22
67:480:46:10
77:490:53:59
87:531:01:52
97:511:09:43
107:591:17:42
117:511:25:33
127:481:33:21
13-1416:011:49:21
157:571:57:18
167:352:04:54
178:062:12:59
188:152:21:14
198:102:29:24
208:252:37:50
218:562:46:45
228:252:55:10
238:553:04:04
24-2517:373:21:42
268:583:30:39
Ziel1:553:32:43



Boston-Marathon 2014
Quelle: http://baa.org



















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